Tipp von
Michaela Nienhüser
weitere Tipps"Nutzen Sie die Gesetze der Chemie, meine Damen, und ändern sie die Zustände."
Im Jahr 1961 erklärt Elizabeth Zott Star der TV-Kochsendung "Essen um sechs" jeden Abend der amerikanischen Nation, wie man den Gesetzmäßigkeiten der Chemie zufolge vernünftig kocht. Wobei es ihr gar nicht so sehr um das leibliche Wohl ihres hauptsächlich weiblichen Publikums geht, sondern um Anerkennung und Gleichberechtigung:
"Meiner Erfahrung nach bringen viel zu viele Menschen der Arbeit und der Aufopferung einer Ehefrau, einer Mutter, einer Frau nicht genug Wertschätzung entgegen. Ich jedenfalls zähle nicht zu diesen Menschen. Am Ende unserer dreißig gemeinsamen Minuten werden wir etwas Sinnvolles getan haben. Wir werden etwas geschafft haben, das nicht unbemerkt bleiben wird. Wir werden Abendessen gemacht haben. Und es wird Gehalt haben."
Elisabeth Zott ist leidenschaftliche Wissenschaftlerin, getrieben und fokussiert, was aber von ihren männlichen Kollegin im Labor eher als Bedrohung wahrgenommen wird. Zwar lassen diese sich von ihr bei ihren Forschungen klammheimlich unterstützen, geben aber die Ergebnisse und Erfolge unter ihrem eigenen Namen bekannt.
Als Elizabeth schließlich unverheiratet schwanger wird, wird ihr nur zu gern gekündigt.
Aber Dank ihres messerscharfen Verstandes und ihrer Rationalität läßt sie sich von solchen Demütigungen keinesfalls berirren.
Ernsthaft und aufrichtig geht sie alles Herausforderungen, die das Leben mit sich bringt an. Unterstützt von ihrem Hund "Halbsieben" und ihrer Freundin und Nachbarin Harriet.
Durch einen Zufall landet sie beim Fernsehen und hat endlich keine finanziellen Sorgen mehr, ist aber todunglücklich in ihrer Rolle, findet sie doch wenig erbauliches am Nachmittagsfernsehen. Dennoch ermutigt sie zahlreiche Frauen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen:
"'Gehen Sie Risiken ein', sagte sie. 'Haben Sie keine Angst vor Experimenten.' 'Furchtlosigkeit in der Küche wird zu Furchtlosigkeit im Leben', verkündete Zott."
Bonnie Garmus' Roman ist eine Hommage an all die übersehenen Hausfrauen und Mütter der 60er Jahre und an deren ungenutztes Potential. Anstatt Respekt und Anerkennung zu erfahren, werden die Frauen und ihre Leistung in diesem Buch von ihren Ehemännern als selbstverständlich hingenommen.
Ein leichtfüßiger Erzählstil, mitreißend und ergreifend das macht Gramus Roman so überaus unterhaltsam zu lesen. Und doch schafft es Bonnie Gramus gerade durch diese Leichtigkeit, Tragik und thematische Tiefe mit trostpendenden liebenswerten Charakteren und komödiantischen Elementen zu verknüpfen, dass man das Buch nicht aus den Händen legen mag. Selten habe ich all die wichtigen feministische Themen, wie Emanzipation und Selbstermächtigung temporeicher und geschmeidiger dargereicht bekommen.